von Susanne Siegert

Street Art ist nicht nur Graffiti. Vor allem in Halle (Saale), der „Street Art-Hauptstadt“, wie der Journalist Steffen Könau sie in der Mitteldeutschen Zeitung nennt. An den Wänden von Halle gibt es noch etwas ganz anderes zu entdecken: bunt gestaltete Fliesen. Jürgen Langner kennt sie fast alle. Als Professor hat er nach seinem Studium in Halle am Physiologisch-Chemischen Institut der Medizinischen Fakultät gearbeitet und Mitte der 1980er Jahre das Institut für Medizinische Immunologie gegründet. Heute ist der 79-Jährige vor allem als „Street Art-Professor“ bekannt. Denn seit acht Jahren fotografiert und archiviert er die Street Art-Szene Halles. Mehr als zehntausend Fotos von Fliesen und Aufklebern sind in seiner Sammlung.

Jürgen Langners Lieblings-Fundstücke


„Wieso interessiert sich ein alter Mann wie Sie für Street Art?‘ bin ich von Besuchern meiner Ausstellungen öfter gefragt worden. Darauf gibt es eine ganz klare und einfache Antwort: Ich bin von einer Art Infektion getroffen, seit ich auf einem Morgenspaziergang mit meiner Frau im Mühlwegviertel am 22. September 2009 an einem Laternenmast einen Aufkleber sah und schon hinter der nächsten Ecke noch einen.“

Jürgen Langner

Fliesengalerie

(Fotos: Jürgen Langner)

Natürlich ist Jürgen Langner bewusst, dass selbst die schönsten Fliese im öffentlichen Raum eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Trotzdem gibt es für ihn einen großen Unterschied zu gängigen Graffiti-“Schmierereien“:

„Der Einfallsreichtum, die Variation, der Witz und die technische Raffinesse erheben ‘meine’ Objekte weit über den Bereich von Fassadenschmierereien in eine künstlerische und sogar wertvolle Sphäre. Ich denke, da, wo die Form etwas Schönes oder Ordentliches mit sich bringt, wird vielleicht auch die Akzeptanz unter den Hauseigentümern größer sein, als wenn es gedankenloses Geschmiere ist.“

Jürgen Langner

Übrigens: Jürgen Langner entdeckt nahezu jede neue Fliese in Halle, die Identität der Künstler, die sich hinter Pseudonymen wie Yeah, Dick und Cup, TU ES, SOUL und Fliesegrimm verstecken und meist in der Nacht ihre Arbeiten ankleben, blieb ihm bisher verborgen. „Den Wunsch zu wissen, wer diese kleinen Kunstwerke in die Öffentlichkeit gebracht hat, habe ich längst beiseite gelegt. Allenfalls würde ich ihr oder ihm gern danken, dass sie mir damit die Augen für die Street Art-Szene in Halle geöffnet haben!“

 

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